Technologie & Gesellschaftswandel: Wie Innovationen unser Leben verändern

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18. Juni 2012

Ackerbau, Schrift, Buchdruck, Industrialisierung oder Internet: Einschneidende technische Errungenschaften haben schon immer massive Auswirkungen auf unser Verhalten, unsere Gesellschaft und unser Wertesystem. Wie Cloud, Mobile, Social Networks und digitale Informationen unser Leben verändern.

Tipping Points von Ackerbau und Viehzucht bis HTML

Wir sprechen gerne von großen Revolutionen, disruptiven Kräften, Quantensprüngen. Das ist meist maßlos übertrieben. Der Mensch entwickelt sich langsam, evolutionär. Immer wieder gab es in der Geschichte der Menschheit Auslöser für diese Entwicklungen. Die Tipping Points, die magischen Momente, die Malcolm Gladwell im gleichnamigen Buch beschreibt. Keine groß dimensionierten Maßnahmen, sondern winzige Initialzündungen, die Lawinen ins Rollen bringen, sich ansteckend wie Viren verhalten.

Niemand kann genau sagen, was der Auslöser für die Domestizierung des Menschen war, als er vor über 10.000 Jahren in Syrien und Mesopotamien vom Jäger und Sammler zum Bauern wurde, Viehe züchtete und Land bestellte. Aus Familien, Stämmen und Clans entwickelten sich schnell Dörfer, Städte, ganze Kulturen. Es dauerte weitere sechs bis sieben tausend Jahre bis die Sumerer Zeichen erfanden, um Wissen nicht nur mündlich überliefern, sondern auch schriftlich fixieren zu können. Wissen bedeutete damals wie heute Macht. Und dieses Wissen war nur wenigen zugänglich. Das änderte sich radikal mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern. Dieser ermöglichte erstmals die exakte Reproduktion von Wissen. Den Rest kennen Sie: Alphabetisierung, Säkularisation, Französische Revolution. Gleichberechtigung für Alle.

Kulturhistorisch ist die Erfindung des Buchdrucks ein großer Meilenstein neben dem Gebrauch der Sprache, dem ersten Einsatz von Schrift und schließlich der Erfindung des Computers, besser: der Erfindung der Hypertext Markup Language (HTML), einer Sprache, mit der via Computer grenzüberschreitend und standardisiert Informationen ausgetauscht werden können: im World Wide Web.

The Web Is Interaction Between People

Tim Berners-Lee hatte Hypertext 1989 entwickelt, um den Austausch zwischen den Wissenschaftlern am CERN und MIT effizienter zu gestalten. Schnell reüssierte das Web zu einer Plattform für den Dialog und die Interaktion zwischen allen Menschen. Waren 1990 gerade 313.000 Rechner im Web, konnten 2000 bereits über 100 Millionen Rechner gezählt werden. Heute gibt es über 2 Milliarden Internetnutzer. Szenarien, die Berners-Lee bereits 1999 in seinem Buch Weaving the Web zeichnete: Es sei wenigstens so wichtig, das Web zu editieren, wie durch das Web browsen zu können. Computer seien dafür da, im Hintergrund Aufgaben zu erledigen, damit die Zusammenarbeit von Menschen vereinfacht würde. Dann müsse das Web eine Netz- und keine Baumstruktur haben, damit keine Hierarchisierung entstehen kann. Und schließlich stünden die Informatiker nicht nur in einer technischen, sondern auch moralischen Verantwortung.

„That was what it was designed to be as a collaborative space where people can interact“, so Tim Berners-Lee, im Gespräch mit Scott Laningham von IBM developerWorks.

Das Web demokratisiert die Kommunikation

Nicht nur Wissen wurde früher hoheitlich verwaltet und stand für Macht. Auch die Herrschaft über Kommunikationswege wurde über Jahrhunderte monopolisiert. Noch Mitte vergangenen Jahrhunderts telegrafierte man, die Post wurde zweimal täglich zugestellt. In Briefen pflegte man devote Attitüden und zollte übertriebene Höflichkeit: Da wurden hochachtungsvolle Grüße übersandt, Ansprachen ausgeschmückt, Kuverts versiegelt.

Heute gibt es 3,15 Milliarden E-Mail-Accounts und pro Tag und Account werden durchschnittlich 112 Nachrichten empfangen. 72% davon sind Spam. Viele Nachrichten haben telegrafischen Stil. Wir halten uns kurz und knapp. Die Generation-Y hat eine ganz eigene Sprache entwickelt. Die wird „imho irl sota“ – oder verständlich – „meiner bescheidenen Meinung nach auch im wirklichen Leben bald gängige Praxis sein“ (in my humble opinion in real life state of the art). Warum? Weil wir uns schlichtweg keine Zeit mehr für ausführliche Korrespondenz nehmen können, oder nehmen wollen.

Aber SMS und E-Mail, Blogs und Social Network Sites haben noch ganz andere Effekte als eine Simplifizierung der Sprache: Jeder kann es tun. Kommunikation ist nicht länger ein Monopol der Staatsbetriebe. Bücherverbrennungen und Zensur können die Verbreitung von Ideen, Innovationen und Standpunkten nicht mehr aufhalten.

„Wir sind keine Zielgruppen oder Endnutzer oder Konsumenten. Wir sind Menschen - und unser Einfluss entzieht sich eurem Zugriff. Kommt damit klar“, lautet eine These aus dem Cluetrain Manifest, publiziert zu Hochzeiten der Dotcom-Blase 1999 von R. Levine, C. Locke, D. Searls und D. Weinberger.

Innovation und Disruption

Das Informationszeitalter hat nicht nur begonnen. Wir sind mittendrin. Das ist kein kurzer Trend, sondern eine unumkehrbare Entwicklung, die an Geschwindigkeit und Relevanz zunimmt. Mit Konsequenzen für jeden einzelnen Menschen, für Unternehmen, ja, die ganze Gesellschaft. Peter Sondergaard, Senior Vice President bei Gartner Research, identifiziert vier verantwortliche Faktoren für diese neue Ära:

„This is now the era of mass collaboration driven by consumerization of IT. The new era brings with it urgent and compelling forces - the cloud, social networking, exploding information and mobility […] brought together, they are revolutionising business and society.“

Diese Instanzen wirken innovativ, weil die Nutzer nun jederzeit und von jedem Ort aus auf Daten zugreifen, Informationen teilen, sich miteinander vernetzen, global kommunizieren und in ständiger Interaktion stehen können. Aber auch disruptiv, weil unser tradiertes Verständnis von Kommunikation nicht mehr gilt. Alle senden, publizieren, empfangen, teilen. Kommunikation scheint nicht mehr beherrschbar, nicht mehr steuerbar. Sie entzieht sich dem Einfluss des Einzelnen, aber auch dem Einfluss der Gesellschaft.

Droht uns der Informationskollaps?

In der Ära der Informationsgesellschaft ist der Mensch einer ungeheuren Informationsflut ausgesetzt. Wir wissen, wie das Gehirn Informationen verarbeitet, kategorisiert und priorisiert und dabei naturgemäß an seine Grenzen stößt. „Mein Kopf kommt nicht mehr mit“, bekennt Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in seinem Buch Payback (Blessing, 2010). Heute sind alle Nutzer einem rauschenden und reißenden Informationsfluss ausgesetzt. Wir müssen unentwegt zwischen Wichtigem und Unwichtigem abwägen, entscheiden, filtern. Das überfordert uns.

2020: Information findet den Nutzer

Wie werden wir in Zukunft mit Informationen umgehen? Wir sind davon überzeugt, dass Berners-Lee Szenario Wirklichkeit wird: Computer werden Information im Hintergrund qualifizieren, semantische Relevanzen errechnen, Aufgaben übernehmen. Automatisch und unbemerkt. Informationen werden in einer Bedeutung zueinander stehen, werden Content und Kontext.

Alles wird miteinander vernetzt sein. Alle werden miteinander kommunizieren können, ganz egal, wo sie sich befinden, und was sie gerade tun. Dabei wird Kommunikation nicht nur zwischen Menschen stattfinden. Informationen, Profile und Bedürfnisse werden Eins. Das Internet wird zu einem „gesellschaftlichen Betriebssystem“, wie es Professor Dr. Gunter Dueck, Philosoph und ehemaliger CTO der IBM Deutschland, nennt. Menschen werden ihrer jeweiligen Lebenssituation entsprechend Informationen, Angebote und situative Empfehlungen erhalten. Unaufgefordert und doch punktgenau.

Information wird wieder geordnet fließen und nicht mehr rauschen. Oder um mit Heraklit zu sprechen: Panta rhei. Alles ist im Fluss. Und der Fluss, in den wir eintauchen, ist jedes Mal ein anderer. Neu wird sein, dass es immer unser individueller Fluss, unsere Strömung sein wird, die sich dynamisch unseren situativen Bedürfnissen entsprechend ausprägt.

Das ist eine Zukunft, in der relevante Information ständig einen neuen Kontext kreiert. Der Mensch wird die Informationsgesellschaft hinter sich lassen und endlich von der Wissensgesellschaft sprechen. Und wir haben wieder Zeit: Zeit füreinander.

Information schafft Beziehungen.

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