Tuesday 2¢: Wir sind zu weit gegangen. Jetzt gibt es in Europa die DSGVO. Aber diese Verordnung ist auch eine Chance!

Wir als Marketingverantwortliche haben die Sache vermasselt, wir sind einfach zu weit gegangen.

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Ian Truscott19. September 2017
  • Digital Marketing

Wir als Marketingverantwortliche haben die Sache vermasselt, wir sind einfach zu weit gegangen.

Natürlich nicht Sie oder ich persönlich. Aber das gilt auf jeden Fall für den Bereich Marketing generell. Es war einfach und preisgünstig, Daten zu nutzen, Listen zu kaufen, Menschen mit Werbung zu überfluten, sie über Remarketing-Aktionen auf Facebook weiter zu verfolgen, dabei unsere Manieren aus dem realen Leben völlig zu vergessen, die Datenschutzbestimmungen zwar strikt einzuhalten, aber die Menschen dennoch „auf Teufel komm raus“ zu belästigen.

Das alles geschah mit den primitiven Marketing-Tools von gestern. Und deshalb fragen sich die Konsumenten natürlich zu Recht, was erst morgen auf sie zukommen wird. Was wollen wir als Marketingspezialisten mit all den coolen, glänzenden Möglichkeiten machen, die die heutige Marketingautomatisierung wie Printerzeugnisse aussehen lässt? Werden die Kunden noch in der Lage sein, unseren Marketingeinfluss zu steuern und den Tsunami an Kanälen und Inhalten, den wir auf sie abfeuern, zu kontrollieren?

Der Konsument ist aufgeschreckt.

Stellen Sie sich einmal vor, wie es wäre, wenn sich Barry Scott from Cillit Bang, egal was Sie gerade tun, wie ein Prinzessin Leia-Hologramm in diesem Moment in die Situation hineinkatapultieren könnte – nicht, um Obi Wan um Hilfe zu bitten, sondern Sie stattdessen wissen zu lassen, dass seine Sensoren soeben eine schmutzige Arbeitsoberfläche entdeckt haben ... und dann: „BANG! Und der Schmutz ist weg!”. Oder vielleicht noch unheimlicher: Stellen Sie sich vor, dass uns all diese neuen Daten und Technologien letztendlich dazu befähigen würden, wie die Jedi in den Star Wars-Filmen mit ihrem Geistestrick die Entscheidungen unserer Kunden zu beeinflussen.

Menschen mögen das, was sie kaufen. Aber sie möchten diese Entscheidung schon gerne selber treffen.

Nur sehr wenige Menschen fühlen sich wohl in dem Nebel der Aktivitäten, der durch das Remarketing auf Facebook erzeugt wird. Ich war einkaufen und jetzt werde ich beim Plaudern auf Facebook angesprochen: Was machst du hier? Ich habe schon früher darüber geschimpft.

Aber der größte Fehler war nicht, dass wir solche Sachen überhaupt gemacht haben, sondern unser Versäumnis, den wunderbaren Wert zu kommunizieren, den es hat, einen Besucher/Kunden zu verstehen und ihm dann einen personalisierten Service anbieten zu können.

Ja, ja, ja, Amazon nimmt das für sich in Anspruch (Gähn! Ein weiterer Blog-Post, der sich auf Amazon bezieht). Aber nach meiner Erfahrung machen die Amazon-Leute ihren Remarketing-Job auf Facebook nicht wirklich gut (das ist meine persönliche Sichtweise). Und manchmal frage ich mich, warum ich diesem Service (den ich mag) überhaupt Daten gebe.

Ja, dass wir als Konsumenten „Daten geben“, ist schon lange kein Geheimnis mehr, das nur Brancheninsider kennen. Die digitalaffinen Konsumenten von heute wissen sehr wohl, dass sie bei jeder Verbindung, die sie in der Internetwelt aufbauen, Daten hinterlassen – und sie wollen etwas dafür zurück.

Und genau das war der Fehler. Wir haben unsere Vorgehensweise nicht transparent gemacht. Hat Ihnen irgendein Unternehmen jemals erklärt, welchen Nutzen es hat, Ihre Daten zu erhalten? Hat man sich mit Ihnen darüber unterhalten und auch einmal zugehört, wenn Sie beschreiben, wie ärgerlich schlecht das Facebook-Remarketing oft ist?

Nein, das haben wir versäumt. Und genau deshalb haben wir unseren Job schlecht gemacht.

Der Konsument fand das eher furchteinflößend und hat keine Möglichkeit erhalten, solche differenzierten Unterhaltungen zu führen. Und genau das hat die frühere Minderheitsauffassung zum Datenschutz erst so richtig angeheizt und ihr den Raum eröffnet, sich zur Mainstreammeinung zu entwickeln. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass ich hier die Dinge etwas grob pauschaliere. Aber mit nur einem Werkzeug im Werkzeugkasten (Gesetzgebung) sind wir in Europa schließlich bei der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO gelandet:

"Die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ersetzt die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG und wurde zwecks Harmonisierung der Datenschutzgesetze in Europa entwickelt.“ (Oh, welche Freude!)

Und nicht nur in Europa. Datenschutzexperten gehen davon aus, dass der Rest der Welt mit Sicherheit nachziehen wird. Wir haben praktisch den Nährboden für diese Gesetzesverschärfungen bereitet.

Eine britische Pub-Kette ist jetzt beispielsweise aufgeschreckt, weil sie ihre gesamten Kundendaten weggeworfen hat. Und ich frage mich, was das für diejenigen bedeutet, die schon einmal mit diesem Unternehmen zu tun hatten und seine besonderen Angebote, die Treueprämien oder all das genossen haben, was das Unternehmen sonst noch Gutes (für die Verbraucher) mit ihren Daten gemacht hat?

Man stelle sich nur vor, Alfred könnte sich nicht mehr an Batmans Namen erinnern oder was er gerne zum Frühstück isst oder welche Größe sein Fledermausgewand hat. Spaß beiseite. Ein wirklich personalisierter Service erleichtert dem Konsumenten das Leben. Sie als Marketer sind, um im Batman-Jargon zu bleiben, der Alfred für Ihre Kunden – ein Butler, der dem Kunden bei der Erledigung seiner Angelegenheiten hilft.

Wenn ich auch nicht davon überzeugt bin, dass der Versuch von Amazon, mir den Film, den ich mir auf der Amazon-Plattform gerade angeschaut habe, am nächsten Tag in meinem Internet-Feed zu verkaufen, oder mich nach dem Kauf eines Geschenks im gesamten Internet wie ein 15-jähriges Mädchen zu verfolgen, das Beste ist, was wir als Marketer tun können – so verstehe ich durchaus, dass die meisten Inhaltskanäle werbegestützt sind. Aber da würde ich dann lieber zur mir passende Artikel sehen als Hygieneprodukte für Frauen. Und ich bin davon überzeugt, dass es den meisten Leuten wahrscheinlich genauso geht, wenn sie den Datenaustausch verstehen würden.

Und ich vermute zudem, dass sie über Service genauso denken. Ich wurde kürzlich von einem Restaurant befragt: Die erste Frage betraf meinen Namen, die zweite die Tageszeit (Mittagessen/Abendessen), die dritte, was ich gegessen habe, die vierte, wer mich bedient hat ... und an einem bestimmten Punkt war ich mir sicher, dass man mir auch eine Frage stellen würden, auf die man nicht bereits die Antwort wusste.

Die Verwendung von Informationen, von denen ich weiß, dass sie bereits bekannt waren, ist nicht unheimlich oder ein Datenschutz-Problem, sondern zweckmäßig. Hätte man das nicht gemacht, wäre das plump erschienen.

Es wird Zeit, umzudenken und die Gespräche zu führen, die wir schon viel früher hätten führen sollen. Und genau diese Chance gibt uns jetzt die DSGVO. Ich verstehe diese Verordnung als Weckruf für die globale Marketing-Szene.

Ja, es bleibt noch viel zu tun. Die DSGVO stellt für jeden in Europa, der im Marketing-Bereich tätig ist, eine riesige Herausforderung dar. Aber wir sollten sie als Chance begreifen, um das Gute herauszustellen, das mit Daten möglich ist.

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Ian Truscott
Ian Truscott schafft als Marketing-Leader mit Leidenschaft ART (Awareness, Revenue und Trust) für B2B Softwareunternehmen und ist ein Alumnus von censhare. Getrieben von dem Wunsch, eine gleichgesinnte Community zu verbinden und wirklich nützliche Inhalte zu teilen hat er Rockstar CMO gegründet, ein monatliches digitales Magazin, und unterstützt aktuell bei appropingo B2B Unternehmen mit seiner ART.

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